johannes fritsch

27. Juli 1941 – 29. April 2010

Johannes Fritsch am Regler

Johannes Fritsch war Komponist, Interpret, Autor, Verleger, Studio­betreiber und Musik­pädagoge. 1971–84 leitete er die Kompositions­klasse und das Seminar für Neue Musik an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt. 1984–2006 wirkte er als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

Musikalische Anfänge

Johannes Fritsch

© Helmut Stahl

Fritschs Weg zur Musik begann im Alter von sieben Jahren mit einer Geige, die sich auf dem Speicher seines Onkels fand. Er erhielt zunächst Unterricht bei einem Geigenlehrer in Bensheim-Auerbach und dann, nach dem Umzug der Familie nach Köln, bei dem damaligen Solobratscher des Gürzenich-Orchesters. 1961–1965 studierte Fritsch an der Universität Köln (Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie) sowie an der Musikhochschule Köln (Viola bei Ernst Nippes, Komposition bei Bernd Alois Zimmermann und Elektronische Musik bei Gottfried Michael Koenig). In den Folgejahren unterrichtete Fritsch Musiktheorie am Konservatorium der Stadt Köln.

Stockhausen-Ensemble
und Feedback Studio

Johannes Fritsch im Stockhausen Ensemble 1968

Von links nach rechts: Alfred Alings, Rolf Gehlhaar, Karlheinz Stockhausen, Johannes Fritsch, Harald Bojé, Aloys Kontarsky, 1968 (© Maria Austria)

Als Mitglied des Stockhausen-Ensembles nahm Fritsch 1964–1970 an zahlreichen Uraufführungen, Konzertreisen (u. a. Weltausstellung in Osaka 1970), Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen teil. Nach der Rückkehr aus Japan gründete er gemeinsam mit zwei weiteren ehemaligen Mitgliedern des Stockhausen Ensembles, Rolf Gehlhaar und David Johnson, das Feedback Studio – eine Künstlerkooperative, die sich zu einem wichtigen Kommunikationszentrum der Neuen Musik entwickeln sollte. 1971 folgte die Gründung des Feedback Studio Verlags, des ersten Deutschen Komponistenverlags. In den Räumen des Studios fanden mehr als 30 Jahre lang kleine Veranstaltungen statt: diese „Hinterhausmusiken“ mit Konzerten, Vorträgen und Werkstattgesprächen boten ein alternatives Forum nicht nur für zeitgenössische Musik, sondern auch für verschiedenste „Weltmusik“, etwa aus Afrika, Afghanistan, Indien und Japan.

Mehr als 130 Werke

Johannes Fritsch mit Stahlsaite

Johannes Fritsch mit Stahlsaite

Fritschs kompositorisches Vermächtnis umfasst mehr als 130 Werke. Dazu gehören neben elektronischen Stücken wie Fabula Rasa (1964) und Modulation IV (1968), Werke der Kammermusik, Ballett-, Theater- und Filmmusik, Orgelwerke, die Oper Aschenbrödel und Kompositionen für großes Orchester wie Akroasis (1966/68) und Herbstlicht (1994/1995).

Musikalische Einflüsse

„Meine Großväter sind Gustav Mahler und Charles Ives, meine Väter Bernd Alois Zimmermann, bei dem ich studiert habe, und Karlheinz Stockhausen, mit dem ich eng zusammenarbeitete. Seit den 80er Jahren kommt in die Familie meiner Ahnen noch, quasi als Onkel, Morton Feldman hinzu,“ beschreibt Fritsch seine musikalischen Einflüsse. In Fritschs Kompositionen finden sich zwei wesentliche Grundzüge: 1. das Arbeiten mit vorgefundenem Material, d.h. die Verwendung „postmoderner“ Montagetechniken bereits seit den 1960er Jahren. Prominentes frühes Beispiel ist seine Orchesterkomposition Akroasis (1966/68), die Elemente der Musikgeschichte und der Trivialmusik in vielfältigen Modulationen mit konkreten Materialien (Drehorgel, music-box, Rundfunknachrichten) und neuen Klängen verbindet. 2. das Einbeziehen freier, improvisatorischer Elemente, das auch aus seiner Interpretenzeit resultiert. Hierzu zählt in besonderer Weise die unerhört energiegeladene live-elektronische „Improvisationskomposition“ Violectra (1971) für Viola d’amore, die Fritsch über 30 Jahre lang in aller Welt immer wieder neu aufführte und die zu einer Art klingender Selbstbiographie seiner Person als Musiker wurde.

Fritsch bei einer Aufführung von Violectra in Japan, 1988

Fritsch bei einer Aufführung von Violectra in Japan, 1988 (© Hiroshige Kanoh)

Reduktion auf das Wesentliche

Fritschs spätere Kammermusikwerke seit den 1980er Jahren sind geprägt von einer Reduktion auf das Wesentliche. Es handelt sich um meist kurze, formal einfache und klanglich äußerst differenzierte Kompositionen, in denen er mit dem Ziel „in Klarheit und Bescheidenheit, nur das Notwendigste zu sagen“ ein Höchstmaß an Transparenz und Verständlichkeit anstrebt. Beispiel hierfür ist die „musikalische Inszenierung“ des Beckett-Textes Damals mit den Trios Das Bittersüsse Büchlein und Trio vom Ende (1992) in einem Triptychon.

Bei aller Unterschiedlichkeit seiner Musiksprache ist als Konstante ein ausgeprägtes Interesse an der Erweiterung instrumentaler Klangfarben in allen Werken spürbar.

Musikvermittlung

Auch außerhalb seiner kompositorischen Tätigkeit beschäftigte Fritsch sich intensiv mit Musik und ihrer Vermittlung: So veranstaltete er in den Jahren 1979, 1982, 1984 und 1986 gemeinsam mit Peter Ausländer und dem WDR die „Weltmusik-Kongresse“ in Vlotho. Mehrfach nahm er als Dozent an den Darmstädter Ferienkursen teil, und von 1974 bis 1998 wirkte er im Vorstand des Darmstädter Institutes für Neue Musik und Musikerziehung. Fritsch war Gründungsvorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik sowie langjähriges Beiratsmitglied der Kölner Kunst-Station Sankt Peter. Viele seiner Schüler sind heute erfolgreiche Komponistinnen und Komponisten.

Preise

1966 erhielt Fritsch den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Musik und 1971 den Preis der Biennale Paris. Seit den 1970er Jahren folgten weitere Preise wie ein Stipendium in der Villa Massimo Rom, der Förderpreis der Stadt Köln oder der Robert-Schumann-Preis der Stadt Düsseldorf.

Musikalisches Vermächtnis

Johannes Fritsch 2001

Johannes Fritsch 2001 (© Lena Fritsch)

2010 starb Johannes Fritsch nach langjähriger Krankheit in Bonn. Nach seinem Tod wurden das Feedback Studio und der Verlag aufgelöst. Im Johannes-Fritsch-Archiv der Akademie der Künste in Berlin können Originalhandschriften, Kompositionen, Korrespondenz, Presse, persönliche Unterlagen etc. eingesehen werden. Johannes Fritschs Witwe Ingrid Fritsch und seine Tochter Lena Fritsch vertreten das musikalische Vermächtnis.